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Sinnentleerter Sinflut-Film

Hollywood dramatisiert, vereinfach und bastelt sich Geschichten filmreif neu zusammen – so bekannt, so unspektakulär. Gestern ließ sich im Fernsehen aber wieder erleben, auf welch dreiste Art ein Stoff verdreht wird, um möglichst viele Knall- und Showeffekte zu erzeugen. 2014 hat Darren Aronofsky die Geschichte von Noach verfilmt, dazu auch das Drehbuch verfasst und den Streifen prominent besetzt (u.a. Russel Crowe, Jennifer Connelly, Emma Watson, Anothy Hopkins). Im Kern kann man bei der Geschichte nicht viel falsch machen: die Schöpfung sündigt und G´tt entscheidet sich zur Vernichtung der Menschheit durch Flut, mit Ausnahme der Tiere und der Familie Noachs, der sie mit einer Arche retten soll.

Sieht man von einigen künstlerischen Freiheiten mal ab, hat der Film das in der ersten Hälfte auch ganz nett dargestellt. Es sind zunächst Kleinigkeiten, die einem Thora-kundigen Menschen als Fehler auffallen: der Bruder von Kain und Hewel heißt Schet und nicht Set (üblicher Transskriptionsfehler aus dem Hebräischen), die Söhne Noachs heißen Cham (statt Ham), Schem (statt Sem), der Vater von Noach wird nicht erschlagen, sondern lebt nach der Geburt von Noach noch fast 600 Jahre und Methusalem ist zwar wirklich sehr alt geworden, aber dennoch starb er etliche Jahre vor der Sinflut.

Man könnte selbst über solch kleine dramaturgische Kniffe hinwegsehen wie der Dauer des Archen-Baus (war laut Thora in 7 Tagen abgeschlossen, im Film zieht es sich über etwa 10 Jahre hin) oder der Hilfe durch die gefallenen Engel in Form von Steinwesen. Das alles ist verkraftbar, auch wenn Danny Aronofsky es aufgrund seiner jüdischen Wurzeln besser wissen könnte.

 

Wirklich haarsträubend falsch und verdreht wird es aber in der zweiten Filmhälfte. Noach einfach losschippern lassen ist Hollywood offenbar zu langweilig. Nein, da muss es zu einem Kampf kommen, in dessen Folge Tuwal-Kain (ein Nachkomme Kains) sich mit auf die Arche schleicht, die Familie Noachs spaltet und ihn in einem dramatischen Endkampf fast tötet (was dann Cham übernimmt).

Aber die schlimmste Verdrehung der tatsächlichen Geschichte ist eine theologische. Im Film wird unterstellt, G´tt wolle mit der Flut sämtliche Menschen töten und habe Noachs Familie nur dafür auserkoren, die Tiere zu retten. So schlussfolgert Noach, dass auch seine Familie sterben muss und sich nicht weiter fortpflanzen darf – welch ein abwegiger Unsinn! G´tt geht einen Bund mit Noach ein, er hat seine Familie wegen ihrer Rechtschaffenheit auserwählt, mit seiner Schöpfung einen Neuanfang zu starten. „Seid fruchtbar und mehret euch“ ist auch an Noach ein Gebot, dass von G´tt explizit an ihn ausgesprochen wird. Von Aussterben kann keine Rede sein. Und es dann noch auf die Spitze zu treiben und Noach als wütenden Tyrannen hinzustellen, der sogar bereit ist, seine zwei auf der Arche geborenen Enkelinnen (gab es nie, aber egal) zu ermorden, grenzt schon an Böswilligkeit. Zumal sich Noach in der entscheidenden Szene gen Himmel wendet, sagt, dass er es nicht könne und damit erneut unterstellt wird, G´tt hätte dies gewollt. Da fällt es schon kaum noch auf, dass die Arche 47 Tage am Arrarat festhing, bevor die Taube mit dem Ölzweig zurückkam und Noach am Ende eigentlich den Sohn Chams (Kena´an sieht Noach nackt, nicht Cham – aber auch das passt nicht zur Dramaturgie von Darren Aronofsky) verflucht, Diener seines Onkels zu sein.

 

Kunst darf viel – aber Geschichten derart verdrehen, dass ihr Ursprung selbst nicht nur verändert, sondern sogar gegen ihn gewandt wird – das darf Kunst nicht und das darf auch Hollywood nicht. Man stelle sich den Aufschrei vor, würde jemand die Geschichte Amerikas derart verdreht verfilmen.

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