Versöhnung und Reue
Einer der höchsten Feiertage des Judentums ist der Jom Kippur – wortwörtlich „Tag der Sühne“, auch Versöhnungstag genannt. Mit ihm enden die 10 Tage der Reue, die an Rosch HaSchana begonnen haben und den Start des jüdischen Jahres kennzeichnen. Die Tage bis Jom Kippur sollen der Einkehr, der Besinnung dienen und geben Gelegenheit, Streit oder Groll oder auch Schulden zu tilgen und für Fehler um Vergebung zu bitten. Es soll ein Neuanfang ermöglicht werden und dafür bittet man G´tt um Gnade – man soll mit sich und seinen Mitmenschen ins Reine kommen.
Daher ist die Farbe weiß als Farbe der Reinheit auch für diesen Tag die zentrale Farbe. Um sich zudem voll auf den Tag, seine Sünden und die Reue zu konzentrieren, gilt an diesem Tag ein fünffaches Verbot: kein Essen, kein Trinken, kein Waschen, kein Arbeiten und keine Benutzung von Luxusartikeln. In Israel ist Jom Kippur daher auch ein Tag ohne Autos, Lärm und geöffnete Geschäfte.
In biblischer Zeit war Jom Kippur ein zentraler Tag im Tempel. Der Hohepriester, an den für diesen Tag besondere Anforderungen gestellt werden, nennt die Sünden des Volkes und bittet stellvertretend um Vergebung – und durfte dafür als einzigen Tag des Jahres ins Allerheiligste des Tempels. Die Tora führt zudem aus, dass an diesem Tag zwei Böcke ausgewählt wurden, über die ein Los gezogen wurde. Während der eine Bock (sollte das Los auf ihn fallen) für G´tt geopfert wird, muss der andere – mit den Sünden beladen – in die Wüste geschickt werden. Der heutige „Sündenbock“ hat hierin seinen Usprung. Die Bezeichnungen „für G´tt“ bzw. „für Asasel“ führten dazu, dass „Asasel“ für das Böse oder den Teufel personifiziert wurde. Allerdings handelt es sich bei „Asasel“ lediglich um eine Bezeichnung im Sinne von „gänzliche Entfernung“.
Jom Kippur selbst beginnt am Abend mit dem Gebet Kol Nidre (wörtlich „alle Gelübde“), mit dem man sich von allen Schwüren, Gelübden und Versprechen gegenüber G´tt lossagt, wenn es unwissentlich oder unüberlegt gesagt wurde. Den Tag selbst verbringt gläubige Jüd*innen in der Regel in der Synagoge und beten. Das Ende des Tages wird durch das Blasen des Schofars markiert.
Hat man in den 10 Tagen seit Rosch HaSchana seine Sünden getilgt, Reue gezeigt und sich versöhnt, wird man vom Gericht des Himmels wieder für ein Jahr in das Buch des Lebens eingetragen. So heißt es z.B. im Buch Schemot (Exodus) in Vers 32/32: „Nun vergib ihnen ihre Sünde; wo nicht, so tilge mich auch aus deinem Buch, das du geschrieben hast.“
Jom Kippur ist also ein Tag, an dem wir uns auf uns selbst besinnen und über unsere (schlechten) Taten nachdenken sollen, an dem wir Streit beenden und uns aussöhnen sollen, an dem wir Reue zeigen und uns vor G´tt für unsere Taten rechtfertigen. Es ist somit ein Tag, der zu einem friedliches Miteinander führen und uns zu besseren Menschen machen kann. In diesem Sinn: Möget ihr ins Buch des Lebens eingeschrieben werden.